BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Verkündet am:

  1. Juli 2024

Holmes

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:        ja

BGHZ:                         nein

BGHR:                             ja

JNEU:                         nein

BGB § 251 Abs. 1

  1. Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen aus­zugehen.
  2. Wurde davon abweichend der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttover­kaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abgezogen wird.

BGH, Urteil vom 16. Juli 2024 - VI ZR 205/23 - LG Karlsruhe

AG Bruchsal

ECLI:DE:BGH:2024:160724UVIZR205.23.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin Müller, die Richter Dr. Klein und Dr. Allgayer sowie die Richterin Dr. Linder

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer XX des Landgerichts Karlsruhe vom 26. Mai 2023 aufgehoben. Die Sa­che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurück­verwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

  • Die Klägerin nimmt den Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfall­

gegners auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem ihr Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Die volle Haftung des Beklag­ten dem Grunde nach steht außer Streit.

  • Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Eine Sachverständige ermit­

telte einen merkantilen Minderwert in Höhe von 500 €. Der Beklagte erstattete insoweit lediglich einen Betrag in Höhe von 420,17 € mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei. Die Klägerin hat eingewandt, die Berechnung durch die Sachverständige sei bereits auf der Grundlage des Nettowertes getroffen worden. Mit der Klage hat sie die Differenz in Höhe von 79,83 € nebst Zinsen geltend gemacht.

 

  • Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Be­rufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

  • Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Wertminderung sei nur in

Höhe des "Nettowertes" zu erstatten, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt sei. Von dem von der Sachverständigen ermittelten merkantilen Minderwert sei die Umsatzsteuer in Abzug zu bringen. Der merkantile Minderwert sei mangels Möglichkeit der Naturalrestitution gemäß § 251 BGB durch Entschädigung in Geld auszugleichen. Der Umstand, dass es sich bei der Geschädigten um ein umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen handle und der beschädigte Pkw zu des­sen Betriebsvermögen gehöre, könne bei der Bemessung des merkantilen Min­derwerts nicht unberücksichtigt bleiben. Denn hiervon hänge die Höhe der scha­densbedingten Wertminderung des Vermögens der Geschädigten ab. Bei dem Verkauf eines im Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeugs eines umsatzsteu­erpflichtigen Unternehmens handle es sich um eine der Umsatzsteuer unterlie­gende Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, so dass von dem erzielten Kaufpreis Umsatzsteuer abzuführen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer einen höheren Preis erzielen werde als ein priva­ter Verkäufer. Im Vergleich zum privaten Verkäufer verbleibe dem Unternehmer mithin nur der um die Umsatzsteuer verminderte Kaufpreis. Damit wirke sich bei ihm eine unfallbedingte merkantile Wertminderung entsprechend geringer aus, während der Teil der Wertminderung, der auf den Umsatzsteueranteil entfalle, den Fiskus treffe.

  • Es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem im Gutachten aufgeführ­

ten Betrag von 500 € um einen Brutto-Betrag handle. Das Gutachten weise eine "merkantile Wertminderung (MwSt-neutral)" in Höhe von 500 € aus. Der Zusatz "(MwSt-neutral)" bedeute nach üblichem Verständnis, dass eine Veräußerung von privat angenommen werde; nur dann falle keine Umsatzsteuer an. Bei der umsatzsteuerpflichtigen Klägerin bleibe ein gleich hoher Mindererlös aber ledig­lich in Höhe des um die abzuführende Umsatzsteuer verminderten Netto-Betrags "hängen."

6                             Die Berufung der Klägerin war entgegen der vom Prozessbevollmächtig­

ten des Beklagten in der mündlichen Revisionsverhandlung geäußerten Vermu­tung zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht eingelegt und begründet worden. Die elektronische Einreichung sowohl der Berufungsschrift als auch der Beru­fungsbegründungsschrift entsprach den Anforderungen des §         130a Abs. 3

Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Ausweislich der in der elektronischen Akte des Berufungsgerichts befindlichen Prüfvermerke sind beide Schriftsätze, die von Rechtsanwalt M. L. einfach signiert sind, über das ihm persönlich zugeordnete beA eingereicht worden (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 7. Mai 2024 - VI ZB 22/23, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 - IX ZB 30/23, juris Rn. 9 f.).

 

  • Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen

Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Zwar ist von dem merkantilen Minder­wert für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abzuziehen. Allerdings ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem im Gutachten als merkantile Wertminderung angeführten Betrag handle es sich um einen "Brutto-Betrag", nicht frei von Rechtsfehlern.

  • Auf der Grundlage der von den Parteien nicht angegriffenen Feststel­

lungen ist davon auszugehen, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 1 Satz 1 PflVG auf Schadensersatz wegen der unfallbedingten Beschädigung ihres Pkw zusteht. Bei erheblicher Beschädigung umfasst der Anspruch gemäß § 251 Abs. 1 BGB auch den Ersatz des merkantilen Minderwerts, weil insoweit eine Herstellung gemäß § 249 BGB nicht möglich ist (st. Senatsrechtsprechung seit Urteil vom 29. April 1958 - VI ZR 82/57, BGHZ 27, 181, 186, juris Rn. 11).

  • a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es

sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall er­heblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht (Senatsurteil vom 23. Novem­ber 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 159, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 25; jeweils mwN). Grund ist, dass auch bei instandgesetzten Unfallfahrzeugen verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit

infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht. Damit erzielen Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Preis als unfallfreie. Diese Wertdif­ferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2004 aaO; vom 3. Oktober 1961 - VI ZR 238/60, BGHZ 35, 396, 397 f., juris Rn. 4 f.; vom 30. Mai 1961 - VI ZR 139/60, VersR 1961, 707, 708).

  • b) Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahr­

zeugs ist unabhängig davon zu ersetzen, welche Dispositionen der Geschädigte über das Fahrzeug trifft (Senatsurteil vom 2. Dezember 1966 - VI ZR 72/65, NJW 1967, 552 f., juris Rn. 13). Insbesondere kommt es für die Begründung des An­spruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht darauf an, ob der Geschä­digte das Fahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem gerin­geren Verkaufspreis manifestiert (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 1966 aaO). Denn wenn sich der Geschädigte entschließt, sein Fahrzeug weiter zu gebrau­chen, so begnügt er sich mit der Benutzung eines Fahrzeugs, dessen Wert nach der allgemeinen Verkehrsauffassung geringer ist als der eines unfallfrei gefahre­nen Fahrzeugs (Senatsurteil vom 3. Oktober 1961 - VI ZR 238/60, BGHZ 35, 396, 398, juris Rn. 5). Der nach der sog. Differenzhypothese gebotene Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, ergibt, dass er in­folge des Unfalls einen geringeren Vermögenswert in Händen hat als zuvor (vgl. Senatsurteil vom 29. April 1958 - VI ZR 82/57, BGHZ 27, 181, 183 f., juris Rn. 8). Unerheblich für die Erstattungspflicht ist auch, dass die Wertminderung bei wei­terem Gebrauch des Fahrzeugs im Laufe der Zeit geringer wird (Senatsurteil vom 3. Oktober 1961 aaO 397 f., juris Rn. 4). Der Schädiger hat den Minderwert des Fahrzeugs zu ersetzen, wie er sich im Zeitpunkt der Inbetriebnahme nach der Reparatur ergibt (Senatsurteil vom 2. Dezember 1966 - VI ZR 72/65, NJW 1967, 552, 553, juris Rn. 13).

  • Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs - hier der

Höhe des merkantilen Minderwerts - ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemes­sung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder sei­ner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Se­natsurteil vom 29. September 2020 - VI ZR 271/19, NJW 2020, 3591 Rn. 7 mwN). Solche Fehler liegen im Streitfall vor, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem im Gutachten als merkantile Wertminderung angeführten Betrag handle es sich um einen "Brutto-Betrag", nicht frei von Rechtsfehlern ist.

  • a) Der Ersatz des merkantilen Minderwerts unterliegt nicht der Umsatz­

steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, weil es sich bei dieser nach dem Gesetz (§ 251 Abs. 1 BGB) zu zahlenden Entschädigung (ebenso wie bei nach § 249 BGB zu zahlendem Schadensersatz) nicht um eine Leistung gegen Entgelt han­delt, es also am erforderlichen Austausch gegenseitiger Leistungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 260/10, DAR 2011, 517 Rn. 10 ff.; Oel- maier in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: Oktober 2023, § 1 Rn. 36, 101; jeweils mwN). Es ist deshalb zumindest missverständlich, beim merkantilen Minderwert von einem Brutto- oder Nettominderwert zu sprechen.

  • b) Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypo­

thetischer Verkauf des Fahrzeugs (aa). Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttover­kaufspreisen auszugehen (bb).

  • aa) Auch wenn die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen

Minderwerts, wie unter 1. b) ausgeführt, nicht voraussetzt, dass der Geschädigte das Unfallfahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem gerin-

 

geren Verkaufspreis manifestiert, ist der Berechnung der Höhe dieses Ersatzan­spruchs doch gedanklich ein Verkauf zugrunde zu legen. Die argumentative Her­leitung des Anspruchs, dass Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt ei­nen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht (Senatsurteil vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 159, juris Rn. 16 mwN; s.o. unter 1. a), schlägt sich bei der Berechnung des merkantilen Minderwerts dahingehend nieder, dass gemäß § 287 ZPO geschätzt wird, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufs­preis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Repa­ratur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne die Beschädigung wäre. Die Minderung des Verkaufspreises ist Ausdruck der Bewertung des eingetrete­nen unmittelbaren Sachschadens durch den Markt (vgl. Vuia, NJW 2012, 3057).

  • bb) Bei der Schätzung, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufspreis

bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne die Beschädigung wäre, ist aus Rechtsgründen auf die jeweiligen Nettoverkaufspreise abzustellen. Denn unab­hängig davon, ob der Geschädigte Unternehmer ist oder nicht, könnte sich die Umsatzsteuer, würde sie überhaupt anfallen, auf die Höhe des merkantilen Min­derwerts nicht auswirken. Handelte es sich bei dem gedachten Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, so erhielte der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer. Diese stellte sich für ihn aber lediglich als durchlaufender Posten dar, da er sie an das Finanzamt abführen müsste. Unter­läge der Verkauf dagegen nicht der Umsatzsteuer, etwa weil der Geschädigte kein Unternehmer ist (Verkauf "von privat"), dürfte Umsatzsteuer dem Käufer schon gar nicht in Rechnung gestellt werden.

  • c) Wurde entgegen dem soeben genannten Grundsatz der merkantile Min­

derwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abgezogen wird (ebenso die wohl herrschende Meinung jedenfalls im Fall eines geschädigten Unternehmers, z.B. LG Dortmund, SVR 2023, 266, 267; LG Essen, BeckRS 2021, 24578 Rn. 56; AG Düsseldorf, VersR 2020, 179; AG Rem­scheid, BeckRS 2017, 144236 Rn. 29 ff.; AG Wipperfürth, BeckRS 2020, 26424 Rn. 3 ff.; Balke, SVR 2023, 294, 295 f.; Freyberger, NZV 2000, 290 f.; Freymann/ Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Stand: 07.03.2024, Rn. 174; Grüneberg in Grüneberg, BGB, 83. Aufl. § 251 Rn. 14; Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 3 Rn. 119; Lutz, NJW-Spezial 2023, 265 f.; Nugel, jurisPR-VerkR 19/2022 Anm. 1 sub D). Ande­renfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten. Eine solche ist von dem Wertinteresse, das Gegenstand des Entschädigungsanspruchs aus § 251 BGB ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 377 f., juris Rn. 9) und auf Ausgleich der Differenz zwischen dem Wert des Ver­mögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08, NJW 2010, 1357, Rn. 29), nicht erfasst.

  • aa) Das verdeutlicht folgendes Rechenbeispiel (vgl. Freyberger, NZV

2000, 290 ff.; Lutz, NJW-Spezial 2023, 265): Angenommen, der merkantile Min­derwert wurde ausgehend von einem Bruttoverkaufspreis von 15.000 €, den das Fahrzeug ohne den Unfall gehabt hätte, auf 2.000 € geschätzt, dann bedeutet dies, dass der Geschädigte für das unfallbedingt beschädigte und reparierte Fahrzeug nur noch einen Verkaufspreis von 13.000 € brutto erzielen würde.

 

  • Dem umsatzsteuerpflichtigen Geschädigten (Unternehmer) wären von

dem Bruttoverkaufspreis für das unbeschädigte Fahrzeug (15.000 €) nach Abzug der von ihm abzuführenden Umsatzsteuer (19 %) 12.605,04 € verblieben. Nach dem Unfall würden ihm von brutto 13.000 € nach Abzug der Umsatzsteuer netto 10.924,37 € verbleiben. Könnte der Geschädigte nun die ermittelte Wertminde­rung von 2.000 € in voller Höhe beanspruchen, hätte er insgesamt (10.924,37 € + 2.000 € =) 12.924,37 € in seinem Vermögen. Ohne den Unfall hätte er bei ei­nem Verkauf des Fahrzeugs aber wie dargestellt nur 12.605,04 € erlangt. Er hätte also, würde ihm der ermittelte Minderwert in vollem Umfang zugesprochen, mit dem Unfall 319,33 € mehr zur Verfügung als ohne den Unfall. Das ist genau der Betrag, der dem (gedachten) "Umsatzsteueranteil" des ermittelten Minderwerts von 2.000 € entspricht. In diesem Umfang steht ihm eine Entschädigung nicht zu, weil diese über sein Wertinteresse hinausgehen und so zu einer Überkompensa­tion führen würde.

19                          Derselbe Bereicherungsbetrag ergibt sich bei rechtlicher Betrachtung,

wenn bei einem Geschädigten, der nicht Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist und der deshalb beim Verkauf seines Fahrzeugs (Verkauf "von privat") Umsatzsteuer schon gar nicht in Rechnung stellen dürfte, dennoch die Schätzung des merkantilen Minderwerts ausgehend von Bruttoprei­sen erfolgt. In dem oben genannten Rechenbeispiel könnte der Geschädigte rechtlich gesehen beim Verkauf des unbeschädigten Fahrzeugs nicht den Brut­topreis von 15.000 €, sondern nur den Nettopreis von 12.605,04 € verlangen. Der Verkaufspreis für das beschädigte und reparierte Fahrzeug betrüge nicht brutto 13.000 €, sondern netto 10.924,37 €. Die Differenz, die den merkantilen Minder­wert abbilden soll, beliefe sich dann aber nicht auf 2.000 €, sondern auf 1.680,67 €, wäre also um 319,33 € geringer.

 

20                          Eine andere - nicht rechtliche, sondern tatsächliche - Frage ist es aller­

dings, welche Preise eine Privatperson bei einem Verkauf erzielen würde, insbe­sondere, ob diese Preise, obwohl netto, betragsmäßig an die von Unternehmern erzielbaren Bruttopreise heranreichen würden.

21                          bb) Die Gegenmeinung (AG München, DAR 2022, 700 ff.; AG Nürnberg,

BeckRS 2022, 38070 Rn. 14; Vuia, NJW 2012, 3057, 3060; wohl auch Jaeger, NZV 2017, 297, 301), die einen Abzug von dem ausgehend vom Bruttoverkaufs­preis geschätzten merkantilen Minderwert für nicht gerechtfertigt hält, überzeugt nicht.

22                          (1) Gegen den Abzug eines dem "Umsatzsteueranteil" entsprechenden

Betrags vom Minderwert wird insbesondere angeführt, dass eine dem § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Regelung im Rahmen des § 251 BGB fehle und dies ausweislich BT-Drucks. 14/7752 S. 13 f. vom Gesetzgeber so gewollt sei (AG München, DAR 2022, 700, 701). Damit wird der Regelungsinhalt des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB verkannt. Nach dieser Norm schließt der zur Herstellung einer beschädigten Sache nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderliche Geldbe­trag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Dies setzt denklogisch voraus, dass der Geschädigte für die Wiederherstellung Umsatzsteuer zahlen muss und das seinen Schaden erhöht, wie dies etwa bei der Reparatur oder der Wiederbeschaffung einer beschädigten Sache der Fall sein kann. Bei einem (gedachten) Verkauf der beschädigten Sache, der Grund­lage für die Berechnung des merkantilen Minderwerts ist, kommt das hingegen nicht in Betracht. Dort wird die Umsatzsteuer, falls sie überhaupt anfällt (nicht beim Verkauf von "privat"), vom Geschädigten vereinnahmt und anschließend abgeführt, stellt sich also nur als durchlaufender Posten dar. Die Frage, ob sich die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Entschädigung gemäß § 251

BGB übertragen lässt oder nicht, stellt sich daher für den Ersatz des merkantilen Minderwerts von vornherein nicht.

23                          (2) Auch der hier von der Revision und teilweise in der Rechtsprechung

(AG München, DAR 2022, 700, 701 f.) erhobene Einwand, der Geschädigte er­halte Ersatz des merkantilen Minderwerts auch dann, wenn er das Fahrzeug nicht verkaufe, dann komme es aber auch auf seine Vorsteuerabzugsberechtigung nicht an, greift nicht durch. Wie oben unter b) aa) ausgeführt, ist für die Begrün­dung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts zwar unerheblich, ob und wann der Geschädigte das Unfallfahrzeug tatsächlich verkauft, für die Berechnung der Höhe dieses Ersatzanspruchs ist aber gedanklich ein Verkauf zugrunde zu legen. Im Übrigen macht es nach den Ausführungen oben tatsäch­lich keinen Unterschied, ob der gedachte Verkauf der Umsatzsteuer unterliegt oder nicht, da in beiden Fällen der Minderwert rechtlich ausgehend vom Netto­verkaufspreis zu ermitteln ist.

24                          (3) Gegen den Abzug eines dem "Umsatzsteueranteil" entsprechenden

Betrags vom ermittelten Minderwert spricht auch nicht das Argument, es bestehe Unsicherheit, ob und in welcher Höhe der umsatzsteuerpflichtige Geschädigte bei einem Verkauf des Fahrzeugs Umsatzsteuer wirklich abführen müsste, ins­besondere bei einem Verkauf ins Ausland (so aber AG München, DAR 2022, 700, 702). Der Ermittlung des merkantilen Minderwerts liegen typisierende Erwä­gungen zugrunde wie die hypothetische Annahme eines Verkaufs im Inland. Bei Annahme eines Verkaufs des Fahrzeugs ins Ausland (welches?) ließe sich der typischerweise zu erwartende Verkaufspreis (mit oder ohne Umsatzsteuer) kaum bestimmen.

 

25                          d) Nach alledem kommt es vorliegend darauf an, ob der merkantile Min­

derwert ausgehend vom Netto- oder vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde. Nur in letzterem Fall, der der übliche sein mag (AG Düsseldorf, VersR 2020, 179; AG Remscheid BeckRS 2017, 144236 Rn. 32; Freyberger, NZV 2000, 290, 292; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Stand: 07.03.2024, Rn. 174; Katzenstein in Geigel, Haft­pflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 3 Rn. 119), ist ein Abzug in Höhe des dem "Um­satzsteueranteil" entsprechenden Betrags gerechtfertigt.

26                          Die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem im Gutachten unter "mer­

kantile Wertminderung (MwSt-neutral)" angeführten Betrag von 500 € handle es sich um einen "Brutto-Betrag", der Zusatz "(MwSt-neutral)" bedeute nach übli­chem Verständnis, dass eine Veräußerung von privat angenommen werde, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Wie oben unter a) ausgeführt, unterliegt der Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht der Umsatzsteuer, er ist also steuerneutral. Dass eben dies mit dem Zusatz "(MwSt-neutral)" ausgedrückt werden sollte, ergibt sich auch aus der Antwort der Sachverständigen, auf die die Revisionser­widerung verweist. Eine andere und die hier entscheidende Frage ist aber, ob die Sachverständige bei der Ermittlung des merkantilen Minderwerts vom Nettover­kaufspreis ausgegangen ist, was die insoweit beweisbelastete Klägerin der Sa­che nach behauptet, oder ob der Bruttoverkaufspreis zugrunde gelegt wurde, so dass ein Abzug vorzunehmen ist. Die hierzu bislang getroffenen Feststellungen

 

lassen eine diesbezügliche Beurteilung nicht zu, weshalb die Sache an das Be­rufungsgericht zurückzuverweisen ist.

 

Seiters

 

Müller

 

Klein

 

 

Allgayer

Vorinstanzen:

AG Bruchsal, Entscheidung vom 23.03.2022 - 4 C 165/21 -

LG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.05.2023 - 20 S 23/22 -